Über Fake-Bubbles, Rasenmähen und Schreibblockaden

Lalalalalalaaaaaaa..... das nennt man dann wohl Schreibblockade...

 

Das Hirn ist voll mit Ideen, Eindrücken, Erlebnissen...die meisten schön, ein paar ganz nervig...ahhh, gutes Material für einen neuen Artikel, denk ich mir. Hallo Inspiration! Hallo?

Ich war auf einem tollen Vortrag von dem Philosophen Dr. Precht, hab dem Mentalmagier Lucca über die Kunst des Staunens zugehört, einen Diplomlehrgang mit 13 tollen Teilnehmern in Linz abgeschlossen, mein 1. youTube Video gedreht (das Mitte Juni - Schreck oh Schreck - online geht) und an einem seltsamen Familiengrillfest eines ehemaligen Chefs eines alten Freundes teilgenommen, wo mich nur meine gute Erziehung (nächstes Mal pfeif ich drauf) daran gehindert hat zur ungehaltenen Furie zu mutieren.

Alles passende Ereignisse um darüber zu berichten, also los! Kreativer Geist, lass es aus mir fließen!!!

 

Und dann kommt diese Stimme, von rechts hinterm Ohr..."Naaaa? Schon lange nix mehr geschrieben, fällt dir nix ein? Jetzt wird´s aber mal wieder Zeit...und dass das ja was G´scheites wird!"

 

Mir ist heiß, der Rasen gehört gemäht, die Nachbarn haben Baustelle und der Lärm ist oooooohrenbetäubend...ich geh mal zum Kühlschrank... ach, doch so leer...ich müsste einkaufen gehen...was, schon so spät...dabei hab ich erst... ja was denn? Ah, Wäsche waschen, Katze füttern, Unterricht vorbereiten, Konzept erstellen, Kinder abholen, Steuerberaterin treffen, Diplomarbeiten beurteilen... noch eine Stunde Zeit und jetzt, jetzt soll mir wirklich etwas Kluges, Lustiges, Spritziges einfallen?! Pronto aber...

Ich will ja gut sein! Besser werden. Gesehen werden. Glänzen, ein bisschen zumindest. Sichtbar werden in meiner Tätigkeit. Das ganze soll Freude machen und Freude bringen, die Selbständigkeit stabilisieren, mit Leichtigkeit und Humor. Hinzu kommt dann halt leider diese Prise Perfektionismus und eine klitzekleine Erschöpfung... war viel los in letzter Zeit... "Hallo? Schreiben wir jetzt endlich?" Facebook hat mich schon zweimal daran erinnert, dass meine Besucher schon lange nichts mehr von mir gehört haben. Na toll, und schon wieder weg vom Fenster...

 

Unsere Katze pennt seelenruhig neben mir und ich hab gerade ein Dejá-vu. Ich wäre gerne sie, der Schlumpf.

Mal kurz in Facebook schauen...doch lieber nicht...die Urlaubsfotos und fröhlichen Gesichter nerven.

Also eine Runde Candy - Crush spielen. Bonbons zerballern. Aus einer Runde werden 5. Alle Leben verspielt.

Also doch schreiben. Aber worüber?

 

***

 

Ach ja, den Dr. Precht gehört, über die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt... ja spannend...

Menschen, die so toll erzählen können beeindrucken mich... da will ich auch hin! Die Stimme im Kopf ätzt "na, da hast aber noch weit hin, bei deinem Tempo..." Danke. Sei still!

Der Vortrag ging eine Stunde über Utilitarismus, Hedonismus, selbstfahrende Autos, dass es gefährlich wird wo menschliche Moral simuliert/programmiert werden muss, Freiheit, Werte, glücklich sein, intrinsische Motivation, Kooperation, Künstliche Intelligenz, Möglichkeiten und Gefahren, die Würde des Menschen, Streben nach Lust und Vermeiden von Schmerz... ( ein Teilnehmer hat letzte Woche in seinem Abschluss-Lehrauftritt über Photo Reading vorgetragen; demnach reichen diese Schlagwörter aus um zu verstehen worum es ging, dein Gehirn erledigt nämlich den Rest und ich brauch keine Zusammenfassung schreiben)

 

So yeahhhh.... ich bin voll gut drauf... nein, mir ist gar nicht zu heiß... "kannst du noch schnell...  zum Bipa fahren, hier unterschreiben, den Text da durchlesen?"... "Ja, klar...mach ich alles, gar kein Probleeem"... "was gibt´s zum Abendessen?" KEINE AHNUNG! Eine Flasche Wein, mir egal, ich schreibe"...

ich bin super Woman. Eine ÜBERREIZTE, FRUSTRIERTE, MÜDE super Woman...

 

Halt, Stop!

Da steht was in meinem Notizbuch, mit grünem Neonstift eingekringelt, also war es wichtig:

Alles was einen wirklichen Wert im Leben eines Menschen darstellt, entzieht sich der Meßbarkeit.

 

Ich muss vielleicht gar nicht jeden Tag zu 100 % funktionieren.

Es ist okay, wenn mich mal was ärgert, frustriert oder grantig macht.

Ich muss nicht immer lustig und humorvoll sein.

Ich kann auch mal sagen: "Es reicht jetzt, ich mag nicht mehr. Scheiß drauf."

 

Vielleicht bin ich ja wirklich gut genug, so wie und wo ich gerade bin und nicht erst dann wenn ich bin, wie und wo ich es mir vorstelle.

Zur Zeit bin ich halt verschwitzt, grantig, müde und ein bisschen urlaubsreif. Es ist okay. Es ist okay.... Das fühlt sich gut an.

 

Was möchte ich?

Was brauche ich im Moment mehr als alles andere?

Zeit. Schwimmen, sinnieren, Ruhe, Klarheit, Entspannung. Freiheit und Liebe. Gelassenheit.

Auch dafür, dass wir alle die letzten Schulwochen vor den Ferien noch gut auskommen. Ohne uns permanent anzukeifen und auf die Nerven zu gehen.

 

Was noch?

Abstand von dieser durchfiktionalisierten Gesellschaft, von der ich ein Teil bin.

 

Immer mehr, besser, schneller, höher, weiter... schauen, was machen die anderen. Sich vergleichen. Sich in einen Wettbewerb begeben.

Ich reagiere mittlerweile allergisch auf #happydays, #inbalance, #feelgood #loveyourlife .... Fake-Blasen-Mist!

Würde ich jeden Tag tun, was mir angeblich "happy days" beschert, dann müsste ich um 4 Uhr morgens aufstehen um mich fit für den Tag zu machen mit einer 2 stündigen Morgenroutine aus Atmen, Meditieren, Sport. Dann ein Quinoa Superfood Müsli und Smoothies herrichten. Um 6 Uhr wecke ich meine vor Freude juchzenden Kinder, die ihre super Jause, die ich am Vorabend (meal prepping) natürlich schon mit lachendem Gesicht hergerichtet habe, freudig einpacken.... Ich würde mich vegan, ketogen, zumindest vegetarisch oder flexitarisch ernähren, und lactosefrei. Ich hätte eine thigh gap, oder zumindest würde man den Ansatz meiner Rippen sehen... meine Zehennägel wären immer perfekt manikürt, die Locken fielen stets geschmeidig... Natürlich führe ich mit dem Fahrrad alles bio und ab Hof einkaufen... Ich wäre die perfekte Mutter, mit den perfekten Kindern, die alle immer und jeden Tag "happy days" erleben. Über die doofe Mitschülerin würden wir nicht lästern, sondern reflektieren. Es gäbe jeden Abend frische Blumen am Tisch und selbstgebackenes Brot (vielleicht, hängt von der derzeit angesagten Ernährungsform ab, eventuell auch Linsen-Kichererbsen-Pizza ohne Gluten, dafür mit Weizengras-Leinöl-Kurkuma Shot, gemixt in meinem 400 € Standmixer) ....ahhh, dazwischen hätte ich ja noch gar nicht gearbeitet. Aber klar, mache ich auch auf der linken Arschbacke, ist ja alles easy going. Ich nehme mein Vitamin B Pillchen, zuerst noch streck ich mich mit dem Terraband und der Blackroll und dann geht´s schon los. Das macht ja alles soviel Spaß!

 

Am Wochenende träfe ich mich mit Freunden und Familie, steig am Vormittag schon auf 3 Berge und radle um 4 Seen, bevor es dann zum Grillen, auf den Flohmarkt, ins Konzert oder wo auch immer hin geht. Schnell muss ich aber jetzt auch noch den nächsten Kurztrip buchen, ein Retreat wär auch mal wieder ganz gut, davor auf jeden Fall noch Empfehlungen einholen... ahhhh... das Leben ist schön.

 

Wer bitte hält das auf Dauer aus? Schon allein die Vorstellung jeden Tag so glücklich, schön und mindful sein zu müssen ist mir ein Graus!

Meine Kinder meinten auf meinem derzeitigen Profilbild säh ich aus wie Golom. Gut so! Kommt damit klar!

Wo sind die Bilder von gähnenden Menschen, grantigen Kindern, aufgeblähten Bäuchen, unrasierten Beinen, von Tiefkühlpizza, grauen Haaren? Ich würde drunter schreiben: "Danke, danke, danke! Geht mir genauso!"

 

***

 

Wir alle erleben frustrierende, anstrengende, mühsame, traurige Dinge. Und hören tun wir: "Wie geht´s Dir? Blendend." 

Warum tun wir das?

 

Wir verarmen dabei. Das Gefühl für die wirklich wichtigen Dinge geht verloren. Vielleicht halten wir uns damit auch Menschen vom Leib. Halten das Gefühl aufrecht, alles unter Kontrolle zu haben. Wer Nähe zulässt, läuft Gefahr Gefühle zu zeigen. Macht sich dadurch verletzlich und menschlich. Dann lieber getaktet, alles im Griff. Irgendwas könnt ja unangenehm sein oder werden.

 

Je mehr ich über diese Dinge nachdenke und nachspüre umso milder werde ich auch wieder. Wir sitzen alle im selben Boot und sind uns gegenseitig Spiegel. Ich brauch mich jetzt nicht mehr über Managertypen ärgern, die sich am Familiengrillfest 7 Stunden über ihre heroischen 100 Stunden Wochen einen Schlagabtausch geliefert haben ohne zu bemerken, dass Frauen und Kinder anwesend waren. Wir alle wollen gut dastehen, bewundert werden, Anerkennung erfahren, unseren Platz finden - verbessern - erhalten. Uns wichtig fühlen. Und manchmal merken wir vielleicht gar nicht, dass wir durch unser Verhalten die schönsten Momente versäumen.

 

Ist es wirklich so wichtig, dass der Rasen gemäht, die Wäsche gemacht und das Wohnzimmer ordentlich ist?

Nein.

Ist es wirklich so wichtig, dass dieser eine Artikel jetzt so megatoll wird?

Nein, kommen noch viele andere.

Ist die letzte Stromrechnung vom Winter wirklich so ein Drama?

Nein, wir heizen bis Ende Oktober sicher nicht ;-)

Musst du unbedingt jetzt, wo es so heiss ist, dir vorhalten keinen Bock auf laufen zu haben?

Definitiv nicht.

Kannst du dir ein bisschen Zeit mit deinen Karriereplänen lassen? Die Dinge sich entwicklen lassen?

Ja, das klingt gut.

Ist es möglich, dass das sogar gut ist, dass Du im Sommer weniger zu tun hast?

Ja, das könnte tatsächlich so sein. Ich freu mich drauf.

 

DURCHATMEN...was ist genau jetzt wichtig?

Bei mir zu bleiben. Wahrnehmen. Still sein. Das Blätterrauschen. Ahhh, da kommt ein Lüftchen...Den Dingen ihren Lauf lassen. Vertrauen, dass das Richtige im richtigen Moment passiert. Ein Schritt nach dem anderen tun. Im Jetzt bleiben. Runterkommen. Ins Herz atmen. Schaffen und rasten, im jeweils richtigen Augenblick. Mich selbst nicht zu ernst nehmen,  sich an den kleinen und großen Aha-s und Oho-s des Alltags zu erfreuen.

Über mich selbst lachen können!

Wenn ich an meinen Video Dreh von letzter Woche denke, kann ich das jetzt wieder. Letzte Woche sah es ein bisschen anders aus.

Aber das wird eine andere Geschichte.

 

Als Mentaltrainerin und Mentallehrtrainerin weiß ich, dass State - Management alles ist. Unsere Gedanken formen unsere Realität. Ich weiß aber auch, dass man es übertreiben kann und man vor lauter State - Management die Erdung verlieren kann.

Und ich weiß, oder zumindest rede ich mir es ein, dass es gar nicht nötig ist, selbst wenn ich in diesem Beruf arbeite, ständig alles richtig zu machen und ständig meinen State zu managen. Das kann nämlich auf die Dauer tierisch anstrengend werden. Für mich selbst und die Menschen, die mir nahe sind.

 

Viel wichtiger ist es mir authentisch zu bleiben, verschiedene Dinge auszuprobieren und seinen eigenen Weg zu finden. Eigentlich ja ziemlich genial, dass ich eine Arbeit gefunden habe, die mich dazu zwingt dabei zu bleiben, zu lernen, zu wachsen, zu beobachten.

Ich bin sozusagen mein eigenes Versuchskarnickel: Einmal klappt´s schlechter, einmal klappt´s besser. Und das, was gut geht, integriert man in seinen Alltag.

 

Gestern Abend war ich nach dem 4. Versuch hier zu schreiben so genervt, dass ich aufgehört habe. Ich hab meine Kinder eingepackt, wir sind Eis holen gefahren und waren dann eine Riesenrunde schwimmen. Heute morgen hab ich mir 20 Minuten lang die Wingwave Musikmediation verpasst und danach konnte ich seelenruhig den Rasen mähen. Ja, das musste sein. Ordnung im Außen wirkt auf mich beruhigend.

Nun sitz ich wieder hier und mache weiter.

Ich glaub darum geht´s letztendlich: Für sich selbst einen guten Weg zu finden, auch wenn´s manchmal holpert, um dann einfach weiterzumachen. Schritt für Schritt. Bis zum nächsten Tag. Und dann der nächste Tag. Und der nächste.

 

Ich trink jetzt mein Kokoswasser ;-) und wer bis jetzt gelesen hat: Danke. Alles ist gut. Das musste mal raus. Nix für ungut.

Ich freu mich über jeden "echten happy day" den wir alle erleben.

 

 

Alles Liebe,

Lydia

 

 

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Marlis (Donnerstag, 07 Juni 2018 09:20)

    Du sprichst mir aus der Seele���Super Beitrag. Es muss nicht immer alles instagram tauglich sein...das Leben darf sein...let it roll!

  • #2

    Christine (Samstag, 09 Juni 2018 18:50)

    Toller Beitrag und ich bin doch froh ihn bis zum Ende gelesen zu haben, ansonsten hätte ich zedier fahren müssen um den Rasen zu mähen - was hätten denn sonst die Nachbarn gedacht ;-)
    Grüaßle us am Ländel