Seeotter & Wachtelei

*Ahhhhhhh, platsch….* so hat sich letzte Woche mein Eintauchen in den Attersee angehört, gefolgt von einem wohligen Floaten in strahlendem Türkis. „Im Wasser bin ich ein anderer Mensch!“ „Du bist kein Mensch, Mami, du bist ein Seeotter“… I wish.

 

Es ist vollbracht, letzte Woche feierten wir das Ende eines weiteren Schuljahres. Mit Kindern in der Schule verändert sich die Zeitrechnung und kein 31.Dezember kann jemals das, was so ein letzter Schultag kann. Er schenkt nämlich Freiheit und Ruhe, zumindest für 9 Wochen.

 

 

Meine wundervolle, talentierte und völlig überraschend plötzlich 18jährige Tochter (das muss ich noch verarbeiten!) bekam von ihrer Religionslehrerin in der letzten Unterrichtsstunde ein symbolhaftes Geschenk, ein Wachtelei. Ich grüble immer noch ob der tieferen Bedeutung. Soll sie es ausbrüten? Auf jeden Fall fuhr meine Tochter erschöpft von den Strapazen einer „lauter 1er“ Schülerin am Abend vor dem Zeugnistag aus ihrem Couch Nap hoch, mit den Worten „Oh Gott…!“  Ich fuhr ebenfalls hoch. Beide im Zustand wie von der Tarantel gestochen.  „Was ist?!“… „Mein Wachtelei!!! … Ich habs im Werkkoffer vergessen!“  

 

 

Pflichtbewusst bis zur letzten Sekunde, alles tippitoppi erledigt, der Punkt der Erschöpfung lange erreicht und sogar im Traum wird noch erledigt… Der letzte schulische Akt war demnach neben dem Zeugnisholen, die Rettung eines bereits angeknacksten Wachteleis vor einem Sommer  eingeschlossen in der Schule. Das ist schon sehr viel symbolhafter … das Ei schwimmt jetzt im See und treibt Richtung Unterach, so hoffe ich doch, und nicht, dass es angeknackst im Auto unter den Sitz gerollt ist. Wobei, das würde mein Sohn so machen. Mein lieber, großer, warmherziger, von der Pubertät gebeutelter Sohn, der sich durch dieses Schuljahr vermutlich mit seinem Charme und seiner starken sozialen Kompetenz gewunden hat,  für uns alle mehr als einmal eine äußerst schmerzhafte Angelegenheit. Er hat mir dieses Jahr gezeigt was sonst noch in mir steckt. Und das gefällt mir nicht ganz so gut. Puberty hit me like a truck. Und die Rolle der keifenden Mutter ist keine, die auf Dauer glücklich macht. Das „Kompliment“ meines Sohnes, weil er aufgrund seines immensen Freundeskreises deutlich besser die Balkansprachen als sein Pflichtfach Italienisch beherrscht – nur die leider nicht in der Schule unnterrichtet werden – und ich ihn somit mit den italienischen irregulären Verben in den letzten Wochen verfolgt habe, ist bezeichnend: „Mami, du bist schon fast eine richtige Balkan Mutter! Fehlt dir nur noch der Schlapfen!“ … Nun, den hab ich besorgt  (es sind sogar vier, zwei Paar!) und statt zu keifen, werd ich ab dem Herbst damit meinen Sohn durchs Wohnzimmer jagen. Wir haben´s schon ausprobiert. Und dann fürchterlich lachen müssen. Im Grunde ist alles in Ordnung und nimmt seinen Lauf.

 

Ich hab mal gelesen, dass die Natur für diesen - zugegeben oft schmerzhaften - Reifeprozess, genannt Pubertät sorgt, damit wir unsere Brut ins Leben entlassen, sie ihre eigenen Entscheidungen, Fehler, Entwicklungen und Erfolge erleben lassen und nicht wie eine Henne auf ihnen sitzen bleiben. Ich verstehe das! Ich übe! Und färbe wieder meine Haare, denn die haben ein bisschen an Pigmenten verloren im letzten Jahr.

 

 

Wie dem auch sei. Meine Kinder werden -  das eine schneller, das andere ein bisschen langsamer - erwachsen. Und während ich die beiden bestmöglich begleite, wachse ich mit. Mal schneller und mal langsamer, und ich darf mir meine eigenen Prägungen, Erwartungen, Konditionierungen noch mal ganz genau anschauen. Uff :-) Das Leben ist ein ständiger Veränderungsprozess und nicht alles verläuft rosig. Im Gegenteil, manchmal läuft es ziemlich ruppig und holprig. Und daran ist auch nix verkehrt. Kein Bock mehr auf ein ständiges "alles bestens". Manchmal läufts, und manchmal stolpert man. So what?

 

Was mir die letzten Monate gezeigt haben?

 

 

Es ist immer eine gute Idee sich zu entspannen, denn meine Wahrheit ist: Wir können nicht mehr tun als unser bestmögliches, den Dingen auch mal seinen Lauf lassen und darauf vertrauen, dass wir gerade sind, wo wir sein sollen, denn sonst wären wir ja woanders?

 

 

Und dass der Versuch, alles unter Kontrolle zu behalten, ein sehr erschöpfender ist, weil es ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Und dabei blockiert dieser Versuch nach Kontrolle und Perfektion die wunderbaren Dinge, die wir alle in uns haben und letztendlich nur darauf warten gelebt zu werden.

 

Das in letzter Zeit verkopfte balkanesische Seeottermuttertier ist ferienreif. Und das ist auch komplett in Ordnung.

An alle, denen die letzten Monate viel abverlangt haben: Es ist ok, mal nicht zu 100% zu funktionieren. Seid lieb und geduldig mit euch selbst. Und lasst euch nicht narrisch machen, von einer Welt, die scheinbar aus den Fugen geraten ist.

 

 

Im Chaos fügen sich die Dinge neu. Ich will mitmachen. Mir Zeit nehmen, für die Dinge, die mir am Herzen liegen, mit Authentizität, Humor, Kreativität und Vertrauen.

Und somit hoffe ich, dass die Muße und die Muse bald wieder einziehen, mich küssen und die CaftanLady wieder Fahrt aufnimmt.

Ich bin guter Dinge.

 

In der Zwischenzeit verabschiede ich mich mit den Worten Shakespeares „Ein jedes Ding muss Zeit zum Reifen haben.“

Gönnst du dir die Zeit? Ich fang jetzt wieder damit an.

 

 

Lasst mich wissen, wie es euch geht!

 

Alles Liebe,

 

eure Lydia aka the CaftanLady

 

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